Der "Große Herrgott"
Geschichte

Ein Wahrzeichen der Region
Der „Große Herrgott“ am Ortsrand von Wintrich ist weit mehr als ein religiöses Symbol – er ist ein Stück Zeitgeschichte, das Kunst, Glaube und Erinnerung miteinander verbindet.
Die monumentale Christusfigur wurde 1921 von der Architektin und Bildhauerin Lucy Hillebrand geschaffen.
Hillebrand zählt zu den ersten Architektinnen Deutschlands und prägte mit ihrem modernen Stil die Kunst der „Neuen Sachlichkeit“.
Ursprünglich stand die Skulptur in den frühen 1930er-Jahren in Wiesbaden, wurde dort jedoch bald wieder entfernt – vermutlich aus stilistischen Gründen, aber auch, weil die Künstlerin jüdischer Herkunft war. In den 1960er-Jahren fand der Herrgott schließlich dank des damaligen Lehrers Josef Reinhard und seiner Mitstreiter in Wintrich eine neue Heimat.
Heute ist der Große Herrgott nicht nur ein religiöses Zeichen und Zeugnis seiner Zeit, sondern auch ein beliebtes Ausflugsziel.
Von hier genießen Besucher eine herrliche Aussicht über die Mosel und die umliegenden Weinberge. Der Platz lädt zum Innehalten, Fotografieren und Verweilen ein – und erinnert zugleich daran, wie eng Kunst, Geschichte und Gedenken miteinander verbunden sind.
Im ursprünglichen Aufsatz von Josef Reinhard wird die Skulptur einem „Mönch“ zugeschrieben.
Ob ihm diese Version so erzählt wurde oder ob er den eigentlichen Ursprung nicht kannte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.
Originalaufsatz von Josef Reinhard, Lehrer a.D.:
Wie der Große Herrgott nach Wintrich kam
„Der Große Herrgott steht nun über dem Geierskopf, weitschauend über die weingesegnete Landschaft und von vielen Dörfern her sichtbar. Da jedoch bis zur feierlichen Einweihung wegen einer würdigen Platzgestaltung noch eine Weile vergeht, so möchte ich jedoch schon vorher darüber berichten, wie der Große Herrgott nach Wintrich kam.
Schon vor über 60 Jahren war es für uns Kinder stets ein feierliches Ereignis, wenn uns der Vater mit in den „Großen Herrgott,“ einen Weinberg in dieser weltberühmten Lage, nahm. Interessant war auch für uns Kinder das kleine Kapellchen mit der Jahreszahl 1868. Aber mir wollte nie in den Kopf, dass hier wirklich ein Großer Herrgott einige Meter hoch stehen sollte.
Es vergingen Jahrzehnte und mit ihnen zwei Weltkriege, ehe meine Schwester (Klara Reinhard) in einer illustrierten Wintricher Weinwerbeschrift, deren Texte, Lieder und Illustrationen sie selbst verfasste, auf dem Geierskopf an bevorzugter Stelle ein Kreuz einzeichnete. Wieder vergingen viele Jahre, bis ich eines Tages in eine kleine, heute profanen Zwecken dienende Kirche im Hessenlande kam. Schon vorher hatte ich einige Male versucht, durch Risse der alten verwitterten Eichentüre ins Innere des Kirchleins zu blicken. Dort waren Teile einer mächtigen Skulptur zu erkennen, ohne jedoch das gesamte Ausmaß derselben bestimmen zu können.
Nach weiteren drei Jahren konnte ich in das Kirchlein hinein gelangen. Eine mächtige Christusfigur stand vor mir. Ein Bild des Jammers, besonders deshalb, weil nun auch die traurige Geschichte dieser Figur bekannt wurde. Ein Mönch hatte die Figur so hergestellt, dass ihre Teile zu einem Ganzen zusammengesetzt werden konnten. In diesem Falle schien entgegen zahlreichen Anregungen jeder Versuch zu einer harmonischen Lösung aussichtslos, da es stets an einem geeigneten Platz scheiterte. Es wurden sogar Stimmen laut, dass gewaltige Werk zu vernichten, falls sich kein würdiger Verwendungszweck ergeben sollte.
Ich erkannte, dass hier Not am Mann war, ja Not am Großen Herrgott. „O Gott, o Gott, warum hast Du mich verlassen?“, glaubte man rufen zu hören. Mein Gedanke war, das wäre der richtige Große Herrgott für Wintrich. Und weil meine Gedanken schon seit der Kindheit um einen wirklichen Großen Herrgott für diese berühmte Weinlage Wintricher Grosser Herrgott kreisten, nahm ich es als inneren Auftrag an, mit den zuständigen Stellen Verhandlungen zu beginnen.
Weil ich jährlich nur für kurze Zeit in diesen Ort kam, dauerte es naturgemäß etwas länger, bis schließlich meine unentwegten Bemühungen von Erfolg gekrönt waren. Pfarrer Volkwin, der später als Pastor an St. Bonifatius in Mannheim wirkte, und der Kirchenvorstand erklärten sich damit einverstanden, dass der Große Herrgott von Hornau, jetzt Großgemeinde Kelkheim bei Höchst in Hessen, in die Mosellande versandt wurde. Seine Kolossalfigur blickt nun seit einigen Monaten über die weingesegnete Landschaft.
Das Kreuz ist über acht und der Korpus mehr als sechs Meter hoch. Es wartet auf eine würdige Platzgestaltung, ein würdiges Einweihungsfest zur Freude der Stifter, seiner neuen Hüter und zu meiner Genugtuung.“

Auszug aus der SChulchronik von wintrich

